PerMedu - Das Forum rund um Ramses II.

Die nächste Dekade blieb es erstaunlicherweise ruhig im Ziegelmacherviertel.
Die Schasu - sowohl die alteingesessenen als auch die, die der Kronprinz in die Gefangenschaft geführt hatte - brüteten weiter über ihren Plänen, in die sie die Ziegelmacher nicht einweihten.
Die Lage schien entspannt...

"Mir gefällt das alles nicht," bemerkte Iry-ef, der heute zum Abendessen bei Mehi und Meritamun eingeladen war, und stellte seinen Becher Wein auf den Tisch. "Die Ziegelmacher sind ruhig, fast schon ZU ruhig. Bist du sicher, daß du die Lage im Griff hast?" fragte er seinen Freund, um gleich dessen Schwester über den Handrücken zu tätscheln. "Das Essen war wie immer ausgezeichnet, meine Liebe..."

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Am selben Abend waren auch Leiya und Samida in Pi-Ramesse angekommen.
Leiya ging es gar nicht gut: die lange Schiffsfahrt hatte sie sehr mitgenommen.
Wie sie noch den Rest der Reise nach Syrien schaffen sollte, war ihr im Moment ein Rätsel.
Vielleicht konnte sie ja ein paar Tage bei Ida bleiben, um sich zu erholen, bevor es weiterging.

Die Wachen am Palasttor erkannten sie glücklicherweise wieder und ließen sie passieren.
Offiziell besaß sie ja immer noch die herrliche Dienstbotenwohnung, in der nun Ida allein lebte, die nicht mit dem Hof nach Theben verreist war.
Natürlich war die sehr überrascht, ihre Schwägerin und ihre Nichte so unerwarteterweise zu sehen.
"Wir haben gedacht, wir besuchen dich, bevor wir nach Hause fahren," quatschte Samida lustig drauf los. "Wir fahren nämlich zu Tante Zada..."

Zada war eine Freundin Leiyas, die mit ihrem Mann in Damaskus lebte.
Beide betrieben dort einen Stoffhandel und eine Schneiderei.
Besonders feine Stoffe webte Zada selbst. Die waren jedoch so heiß begehrt, daß sie dabei Hilfe benötigen konnte, wie sie im letzten Brief an Leiya berichtet hatte.
Für Leiya war das ein Wink des Schicksals gewesen...

Leiya war dankbar für Idas Angebot und nickte.
Sie ergriff den Becher Karkadeh, den Ida ihr reichte, und sagte: "Ein paar Tage können wir schon noch bleiben. Wir müssen ja auch erst einmal ein Schiff finden, das uns nach Sidon bringt und von dort aus reisen wir dann weiter nach Damaskus!"
Erschöpft streckte sie die Füße aus und seufzte.

Leiya, die eigentlich geglaubt hatte, Ida wüßte über Jahudiyas Verschwinden bescheid, sah ihre Schwägerin erst einmal erstaunt an.
Dann atmete sie tief durch.
"Dein Bruder ist nicht wiedergekommen, Ida," sagte sie dann ruhig, um zu überspielen, wie sehr sie die ganze Geschichte doch mitnahm. "Die Letzte, die ihn gesehen hat, warst du. Der Brief, den du aus Memphis mitgebracht hast, war das letzte Lebenszeichen von ihm, seitdem ist er verschwunden."
Sie biß sich auf die Lippen. "Samida und ich werden in Damaskus bleiben," erklärte sie. "Dein Bruder ist wahrscheinlich über alle Berge...falls ihm nichts zugestoßen ist..."

"Zada ist eine alte Freundin von mir, die damals nach ihrer Hochzeit unser Dorf verlassen hat, um mit ihrem Mann das Stoffgeschäft von dessen Eltern in Damaskus zu übernehmen. Sie können Hilfe gebrauchen, da habe ich zugesagt. Was soll ich denn auch hier? Wieder drei Jahre auf Jahudiya warten?"

"Nein, das hat sie nicht," beruhigte Leiya ihre Schwägerin. "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen! Was ich in Damaskus soll?" Sie lachte kurz auf. "Dort bin ich zuhause, dort leben Freunde von mir! Ich bin doch nur deines Bruders wegen nach Ägypten gekommen und nun da er nicht mehr da ist..."
Ein Schatten huschte über ihr Gesicht.
Das Wissen, daß Jad tot war, wäre nicht so furchtbar wie die Unklarheit über sein Schicksal und die Frage, die ihr immer wieder im Kopf herumging: war die Reise nach Memphis nur eine Ausflucht gewesen, um sie endgültig zu verlassen?

"Ich habe keinen Grund hierzubleiben," setzte sie hinzu, nachdem sie sich wieder gefangen hatte. "Und als ehrbare Witwe kann ich mit Samida ein ruhiges Leben in Damaskus führen."

"Ich sagte doch schon, ich weiß es nicht, ob ihm etwas zugestoßen ist," erwiderte Leiya.
"Ich halte Jahudiya offen gesagt für einen Windhund," sagte sie ehrlich. "Einen Leichtfuß, der sich nur dann Gedanken um irgendwelche Konsequenzen macht, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Er wollte keine Ehefrau, er wollte frei und ungebunden bleiben. Das hat er mir jedenfalls mehr als einmal zu verstehen gegeben und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob sich diese seine Einstellung tatsächlich geändert hat!"
Sie stützte ihre Kopf auf die Hand auf und seufzte.
Ihr war so furchtbar schwindelig und sie war so müde. Seit Tagen hatte sie nicht mehr richtig geschlafen, denn auf dem Schiff nur mit einer einfachen Schilfmatte als Unterlage war es ziemlich unbequem gewesen...
"Ich weiß es einfach nicht," sagte sie schließlich mit immer leiser werdender Stimme. Sie schien förmlich in ihrem Sessel zusammenzusinken und sah mit einem Male wie ein kleines Mädchen aus, das dringend von seiner Mutter auf den Schoß genommen werden mußte...

"Nein, aber wieso sollten sie auch?"
Leiyas Unterlippe bebte und schließlich brach sie in Tränen aus.
Nach all den schrecklichen Jahren, die hinter ihr lagen, hatte sie geglaubt, ihr Leben hätte endlich eine Wende genommen und nun war genau das passiert, was sie immer befürchtet hatte: Jahudiya war wieder weg und hatte sie allein gelassen!

Deshalb wollte sie Ägypten den Rücken kehren - Ägypten und den wenigen Erinnerungen an ein glückliches, aber viel zu kurzes Leben hier - und in ihrer alten Heimat neu anfangen...

Leiya nippte zögerlich an dem Bier, wischte sich die Tränen von den Wangen und nahm schließlich einen kräftigen Schluck...und noch einen, bis daß ihr Becher leer war.
Nun war ihr noch schwindeliger geworden!
"Du hast bestimmt recht," murmelte sie undeutlich. "Ich muß nur mal wieder richtig schlafen, dann geht es mir besser...oh, ich wünschte, mein Vater hätte Jad nicht gefunden und ich wäre nie nach Ägypten gekommen..."
Wieder fing sie an zu schluchzen.
Alles war besser als diese Unklarheit, selbst das Leben als Dienstmagd im Hause ihres Vaters.
Da hatte sie wenigstens gewußt, woran sie war!