PerMedu - Das Forum rund um Ramses II.

Nach einer rasanten Fahrt auf dem Streitwagen kamen Mehi und Schemra wieder beim Palast an.
Mehi ließ sich bei Iry-ef melden, während Schemra sicherheitshalber wieder in ihren Wohntrakt verschwand, bevor jemand allzu sehr über ihr Verschwinden nachzudenken begann.

Wie es die Höflichkeit gebot, verneigte sich Mehi vor seinem Freund. Er berichtete ihm alles, was er im Ziegelmacherviertel erfahren hatte und natürlich auch, dass er den Schasu und den Ziegelmachern versprochen hatte, sich für sie einzusetzen. "Wenn wir wollen, dass sie auf unserer Seite sind, sollten wir etwas tun, was ihnen ihr Los erleichtert. Vielleicht könnten wir die Sollmenge herabsetzen? Außerdem wäre es doch sinnvoll, wenn sie ihre Götterfeste wieder feiern könnten. Das wird sie hinter dich bringen, mein Freund!"

Iry-ef hörte sich an, was Mehi ihm zu sagen hatte und rieb sich nachdenklich über das Kinn.
"Das ist eine gute Idee," sagte er schließlich. "Aber eines nach dem anderen. Fangen wir damit an, daß wir das Ziegelkontingent herabsetzen. Wenn es tatsächlich keine Aufstände mehr gibt, bekommen sie die Erlaubnis, sich einen Schrein für einen ihrer Götter in ihrem Dorf zu errichten. Ich kann nicht alles auf einmal ändern, sonst werden die anderen Beamten mißtrauisch. Das sind sie ohnehin, weil du dich so oft hier blicken läßt!"

"Hmm", knörrte Mehi. "Wenn das der Grund ist, dann sollten wir unsere Treffen eben nicht mehr hier im Palast machen. Vielleicht findest du den Weg zu meiner Schwester Meritamon?" schlug er vor. "Sie hat ein großes Anwesen außerhalb der Stadt, wo wir ungestört sind. Sie wird deine Gesellschaft sicher begrüßen! Wenn ich ihr sage, dass uns der neue Wesir besuchen kommt, wird sie das sicher ehren!"

"Ja, das wäre vielleicht besser," meinte Iry-ef. "Ich habe ja öfters außerhalb des Palastes zu tun. Ein Außentermin mehr oder weniger fällt nicht auf..." Vielleicht wäre es sogar günstiger, wenn man sich nach Dienstschluß träfe? "Und was ich nach Feierabend treibe," fuhr er fort. "Geht niemanden etwas an. Am einfachsten ist es, wenn du mir durch einen Boten sagen läßt, wann du meine Hilfe brauchst, dann werde ich kommen. Nimm's nicht persönlich, mein Freund," sagte er dann versöhnlich. "Viele der Beamten hier wissen um den Zwist zwischen seiner Majestät und dir und stellen nun Erkundigungen an, warum du hier ein- und ausgehst. Ich kann ihnen ja schlecht erzählen, daß du die Königsmutter besuchst, nicht wahr?"

"Natürlich!" stimmte Mehi zu. "Es wäre zu gefährlich für dich, wenn jemand Verdacht schöpft, dass ich dich dazu angeregt habe, die Arbeitsleistung der Ziegelmacher auf ein Normalmaß herabzusenken. Ich werde dir besser Boten schicken. Vielleicht hat meine Schwester eine unauffällige Bedienstete, die die Aufgabe übernimmt!"
Er verneigte sich noch einmal, bevor er ging. "Gehab dich wohl, Iry-ef!"



*********

Unterdessen berieten die Ziegelmacher untereinander. Sie waren sich einig, dass man am besten Ruhe gab, bevor die Ägypter wieder zu stärkeren Zwangsmaßnahmen griffen. Einer der jüngeren wurde zu Schemras Brüdern und zu den anderen Schasu, die neu eingetroffen waren, geschickt, um ihnen noch einmal deutlich zu machen, dass gewalttätiger Widerstand zwecklos wäre.
"Was hilft es uns, wenn sie uns totschlagen?" fragte er die Schasu. "Besser ist es, wir nutzen ihre eigene Moral gegen sie. Wir zeigen ihnen, dass das, was sie mit uns machen, unmöglich Ma'at ist!"

Die Schasu waren jedoch halbwilde, unzivilisierte Barbaren, die nichts von Maat wußten (und auch Assmann nicht gelesen hatten) und deshalb fragten, was das denn sei, diese Muu...Muuuu'aaa...irgendwas...
Bei ihnen galt Auge um Auge, Zahn und Zahn und Blutrache sowieso und deshalb waren sie dafür, es den Ägyptern mit gleicher Münze heimzuzahlen.
"Wenn wir uns alle zusammentun, können wir die Wachen überwältigen," meinten sie. "Wir müssen nur zusammenhalten, wir sind ihnen doch zahlenmäßig überlegen! Dann können wir flüchten! Was wird der Pharao denn schon mit uns machen? Uns ins Rote Meer jagen?"
Sie brachen in lautes Gelächter aus. "Dann kriegt er uns sowieso nicht oder können Streitwagen schwimmen?"

"Den Wachen sind wir vielleicht zahlenmäßig überlegen, aber kaum der Streitmacht des Königs!" wandte der junge Ziegelmacher ein. "Du glaubst doch nicht, dass der Wesir, er lebe, auf Dauer die Soldaten zurückhält, wenn wir hier anfangen, die Wachen zu töten?"
Er lachte bitter auf. "Nein, wir sollten sein Wohlwollen nutzen. Laßt uns verhandeln!"

"Verhandeln?" echoten die Schasu wie im Chor. Igitt, was waren diese Ziegelmacher doch für Weicheier!
"Über was wollt ihr denn verhandeln? Daß es nur noch 10 Peitschenhiebe pro Tag gibt statt 20?"

"Dass man uns unsere Kinder läßt, zum Beispiel!" meinte der Ziegelmacher. "Ihr habt es vielleicht noch nicht am eigenen Leib erfahren, aber die Ägypter nehmen uns alle Kinder weg, sobald sie die Mutterbrust nicht mehr brauchen! Oder hat einer von euch ein Kind, das älter als 2 Jahre ist, hier gesehen?"
Er seufzte, weil seine Gesprächspartner solche Sturköpfe waren. Genau solche Sturköpfe waren damals diejenigen gewesen, die den Zorn des Königs gegen die Ziegelmacher geweckt hatten. Die durch ihre Raubzüge und Plünderungen die Rechtfertigung geschaffen hatten, dass man sie alle hinter diese Mauern sperrte. Das sagte er jetzt auch den Schasu. "Mit Gewalt werdet ihr nichts erreichen. Ihr könnt es versuchen, aber man wird nur alle hier bestrafen! Das werdet ihr sehen... wir sollten nutzen, dass der Wesir, er lebe, auf Mehi hört und uns Erleichterungen versprochen hat."

"Sie nehmen euch die Kinder?" Die Schasu waren entsetzt und sahen die anderen Schasu - u.a. Schemras Brüder - an, die schon länger hier waren, damit sie den unglaublichen Bericht der Ziegelmacher bestätigten. "Und das laßt ihr euch einfach so gefallen?"
Was waren diese Ägypter doch nur für herzlose Barbaren!

Joshua nickte. "Ja, wie sollen wir es uns auch nicht gefallen lassen? Meinst du, es wird dadurch besser, dass wir mit unseren bloßen Händen gegen sie kämpfen? Die Soldaten sind schwer bewaffnet, wenn sie kommen, um uns unsere Söhne zu rauben! Wir können vermutlich noch dankbar sein, dass man sie nicht umbringt, sondern sie "nur" wegführt, um sie anderswo zu erziehen. Aber natürlich sind sie Geiseln und wenn wir hier aufsässig werden, werden sie unsere Kinder töten, das ist sicher!"
Er schniefte leicht, weil er an sein eigenes Söhnchen denken mußte, das die Ägypter erst vor einem halben Jahr weggeholt hatten. Es war seine ganze Freude gewesen, aber die grausamen Soldaten hatten es seiner Frau aus den Armen gerissen und das schreiende Kind weggeführt. Niemals hatte er erfahren, wo es hingebracht worden war!

Dann mußten die Ägypter am eigenen Leib erfahren, wie es war, wenn man ihnen ihr Liebstes entriß, fanden die Schasu. Vielleicht würden sie dann begreifen, was in den Ziegelmachern, denen sie die Kinder stahlen, vorging und welches Leid sie anrichteten!
"Das muß ein Ende haben," fanden sie.
Daß die Ziegelmacher jedoch einen ganz anderen Weg wählen wollten, nämlich den des geringsten Widerstandes, fanden sie unbegreiflich!
"Wo ist euer Stolz geblieben?" fragten sie. "Wollt ihr eure Kinder denn nicht wiederbekommen? Denkt ihr denn, ihr seht sie wieder, wenn ihr euch in euer Schicksal ergebt? Die Ägypter denken doch dann, sie könnten alles mit euch machen?"

Oder hatten die salbungsvollen Reden und Beteuerungen dieses Alten ihnen das Herz verkleistert?
Der war doch bestimmt nur gekommen, um sie zu beruhigen, halten würde er von diesen ganzen Versprechen doch ohnehin kein einziges!

"Wenn wir Widerstand leisten, werden sie unsere Kinder töten!" glaubte Joshua fest. "Wir vertrauen in unseren ägyptischen Freund. Er weiß, wie es ist, in der Fremde zu leben! Und er wird uns nicht enttäuschen. Schaut doch, seit er regelmäßig kommt, hat sich einiges verbessert! Seid doch vernünftig und wartet ab, ob er nicht noch mehr für uns erreichen kann. Vielleicht kann er sogar durchsetzen, dass wir wieder wie früher leben können?"
Dann erfuhren die Schasu so einiges über die Geschichte der Ziegelmacher. Dass sie diesen Beruf schon seit Generationen ausübten und eigentlich nie darunter gelitten hatten, bis die ägyptische Verwaltung eines Tages von ihnen verlangt hatte, Ziegel ohne Häcksel zu machen und die Übergriffe der Aufseher auf die Wasserträgerinnen zunahmen. "Damals haben einige junge Leute gedacht wie ihr. Sie sind brandschatzen und morden gegangen! Seitdem geht es uns elend. Man nahm uns unsere Freiheit und unser Leben. Ihr mögt sagen, wir hätten unseren Stolz verloren, aber darin täuscht ihr euch! Wir glauben nur, dass wir die gerade erreichten Lockerungen nicht durch unsinnige Gewalt aufs Spiel setzen sollten!"

"Wie ihr meint," murrten die Schasu unzufrieden.
Ohne die Hilfe der Ziegelmacher waren sie gezwungen, Ruhe zu halten, weil sie dann sowieso nichts ausrichten konnten!
"Warten wir also ab, bis wir zugrunde gehen, aber ihr werdet schon sehen!" warnten sie die Ziegelmacher. "Das waren alles nur leere Versprechungen. Diesen Ägyptern, die sich für die Herren der Welt halten, kann man nichts glauben!"