PerMedu - Das Forum rund um Ramses II.

Zitat

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Kunstsinnig
Der Tag der untoten Henne
Von Claudia Aigner

Haben schon die alten Ägypter und nicht erst die Chaostheoretiker den Schmetterlingseffekt erfunden? Und wie heißt der Schauspieler, der in "Hamlet" den Totenschädel mimt?

Dann haben die halt ab sofort noch zwei Affen, die ausschauen wie der Franz Liszt (also im Haus des Meeres). Na und? Ist mir doch egal! Die Lisztäffchen mögen ja ganz putzig sein, aber sie sind trotzdem nix gegen das, was ich daheim hab. Das ist nämlich total verschrumpelt, hat ein groteskes Grinsen im Gesicht, und wenn man den Deckel von seinem Sarg hebt, weht einem ein scharfer Pfefferminzgeruch entgegen. Hm. Ein Kaugummi kauender Zombie? Nein, das Gummibärli, mit dem ich vor einem Jahr ein wissenschaftliches Experiment gemacht habe und das seither frappante Ähnlichkeit hat mit der Mumie von Ramses II. Sie wollen auch so was?

Schritt eins: Gummibärli plus H2O. Das Bärli also ein paar Tage in Wasser einlegen, bis es dramatisch aufgequollen ist. Schritt zwei: Gummibärli minus H2O. Das Gelatinemonster nun auf ein Untertatzerl legen, es schrumpft und schrumpelt dann gemütlich vor sich hin, und fertig ist der Ramses. Wie sollen blöde Affenbabys da mithalten können?

Und das Minz-Aroma? Kommt daher, dass der Sarkophag von meinem Ramses eigentlich ein Doserl ist, in dem Atemfrischpastillen drin waren. Tja, die alten Ägypter. Die haben sich verpuppt, und wenn sie nicht geschlüpft sind, warten sie noch heute. (Ähm, ist das der Schmetterlingseffekt? Nein, die haben eher einen Raupenkomplex.) An Ramses II. muss ich logischerweise immer denken, wenn ich von einem heftigen (ach was: einem sintflutartigen ) Schnupfen heimgesucht werde. Wieso "logischerweise"? Na ja, schließlich ist dem Pharao nach seinem Tod das komplette Hirn aus den Nüstern geronnen, nachdem man ihm die graue Substanz mit einem durch die Nase eingeführten Haken verquirlt hatte (wie mit einem Schneebesen). Und damals hat es nicht einmal das durchschnupfsichere Papyrustaschentuch gegeben.

Ramses II. hat also eine postmortale Rhinitis gehabt. Eine neuseeländische Hausfrau hätte er mit dieser Darbietung aber wohl nicht sonderlich beeindruckt. Weil sogar ein geköpftes Hendl in ihrer Küche mehr Bühnenpräsenz gehabt hat. Immerhin hat das Geflügel, als es bereits im Backrohr schwitzte, so etwas wie die "Rachearie der Königin der Nacht der lebenden Toten" gekreischt. Und das ohne Kopf! Und als die Köchin mit bösen Vorahnungen das Ofentürl aufgerissen hat . . . ist das Huhn, seinen eigenen Tod rächen wollend, plötzlich herausgeflattert und hat wütend ("der Hölle Rache kocht in meinem Hintern") ein Ei gelegt. Ein hartgekochtes, notgedrungen.

Schmarrn! So wäre das in einem primitiven Zombiefilm ("Der Tag der untoten Henne" oder so). Die Hendl-Oper ist natürlich konzertant aufgeführt worden. Ohne viel Action. Nur die Stimmbänder haben sich bewegt. Im erwürgten Hendlhals. Angeblich weil der Dampf, der von der Füllung aufgestiegen ist, sie zum Schwingen gebracht hat. Ich jedoch bin fest davon überzeugt, es war nicht der Dampf, es war schlichtweg – Talent.

So viel Begabung hat sich ein gewisser Juan Potomachi 1955 aber offenbar nicht zugetraut. Sonst hätte er dem Opernhaus von Buenos Aires und nicht dem Theater seine Pesos vermacht, mit der Auflage, man müsse ihn nach seinem Ableben endlich auch mitspielen lassen. Mit einer Schweige rolle wollte er sich begnügen. Mit dem Yorick aus "Hamlet", dem verwesten Hofnarren. Dem Totenkopf. Und der Schädel blicket stumm auf dem ganzen Friedhof rum. Klingt wie ein posthumoriger Witz. Ramses II. hätte sich übrigens fabelhaft als Boris-Karloff-Double geeignet (in "Die Mumie"). Und mein Ramses, das steinharte Schrumpelbärli? Das könnte sein Publikum nicht einmal bei einem Gastauftritt in einem Sackerl Haribo-Goldbären überzeugen. Wenn ja sogar ich, quasi seine Mama, es in hohem Bogen ausbuhen, äh: ausspucken, tät’.

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Quelle: http://www.wienerzeitung.at/default.aspx...=wzo&cob=476571