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#1

Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 30.05.2011 10:04
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

Zitat
Die Kollektion von etwa 150 antiken Objekten stammt von dem jüdischen Forscher Steindorff, ...


Quelle: u.a. http://www.westline.de/lifestyle/kunst/L...g;art331,532190 sowie diverse andere

Prof. Steindorff war Deutscher jüdischer Abstammung und gehörte seit ca. 1884 dem protestantischen Glauben an.
Ihn als "jüdischen Forscher" o.ä. zu bezeichnen, heißt, der ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 der Nazis zu folgen: "Jude ist, wer von mindestens drei der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammt [...]. Als Jude gilt auch der von zwei volljüdischen Großeltern abstammende staatsangehörige jüdische Mischling, a) der beim Erlaß des Gesetzes der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat oder danach in sie aufgenommen wird, b) der beim Erlaß des Gesetzes mit einem Juden verheiratet war oder sich danach mit einem solchen verheiratet, c) der aus einer Ehe mit einem Juden im Sinne des Absatzes 1 stammt."

Gilt dieses Gesetz immer noch in Deutschland?


Zitat
...und zwar nachweislich unter Wert, wie das Gericht feststellte.


Quelle: u.a. http://www.westline.de/lifestyle/kunst/L...g;art331,532190 sowie diverse andere

Für den Erwerb seiner Sammlung von ägyptischen Antiquitäten waren Steindorff Kosten von 8000 RM entstanden.
Eben diese Summe forderte er für seine Sammlung von der Universität Leipzig und erhielt sie auch.
Er hat damit keinen finanziellen Verlust erfahren wie viele andere deutsche Bürger jüdischen Glaubens, die tatsächlich unter Zwang ihr Hab und Gut verkaufen mußten oder sogar zwangsenteignet wurden.


Zitat
Die Hochschule habe nicht widerlegen können, dass der Verkauf während der NS-Zeit unter Zwang geschah.


Quelle: u.a. http://www.westline.de/lifestyle/kunst/L...g;art331,532190 sowie diverse andere

Die Zeugenaussage von Herrn Thomas Hemer, des Enkels von Prof. Steindorff, widerlegte diese unhaltbare Vermutung sehr wohl.

Wieso wurde die Aussage von Herrn Hemer vor Gericht nicht anerkannt?
Von einer objektiven Urteilsfindung kann in diesem Fall daher wohl kaum die Rede sein!


Zitat
Zwei Jahre nach dem Verkauf floh Steindorff vor den Nazis in die USA


Quelle: u.a. http://nachrichten.lvz-online.de/leipzig...ws-a-90525.html

Von einer Flucht kann man kaum sprechen, da Prof. Steindorff und seine Familie mitsamt ihres Hausrates (u.a. soll ein Konzertflügel dabei gewesen sein) unbehelligt Deutschland verlassen und in die USA emigrieren konnten.

Waren andere von den Nazis Verfolgte dazu ebenfalls in der Lage?


Zitat
Dabei ging im Übrigen auch der Enkel Thomas Hemer leer aus. Ihm hätte die Sammlung als rechtmäßigem Erben eigentlich zugestanden. Doch da er seinen Restitutionsanspruch erst 2007 gestellt hatte, war er weit über die von der JCC geforderte Frist von zwei Jahren hinaus. So dass sein Rechtsanspruch verfallen war. Allerdings hatte man auch von Seiten der JCC keinerlei Versuch gestartet, den Enkel über seine Rechte rechtzeitig aufzuklären.


Quelle: http://www.l-iz.de/Leben/Gesellschaft/20...chststrafe.html
oder

Zitat
Eventuelle Eigentumsrechte des Enkels werden negiert, weil die Objekte ja verkauft worden seien und nicht mehr in der Erbmasse lägen. Sein Wunsch wurde sowohl von der JCC als von der Bundesanstalt als nicht relevant ignoriert, weil er die Verjährungsfrist nicht eingehalten habe. Innerhalb der Verjährungsfrist wurde der in den Bergen Nevadas lebende Hemer nicht informiert.


Quelle: http://www.facebook.com/home.php?sk=grou...170075193052616

Wieso hat die JCC die in den USA lebende Familie von Prof. Steindorff nicht rechtzeitig über die Sachlage informiert, damit diese fristgerecht ihre Ansprüche geltend machen konnte?

Zitat
Die Claims Conference unterhält ebenso einen Goodwillfond. Aus diesem Fond werden ursprüngliche Eigentümer und deren Erben unter bestimmten Voraussetzungen unterstützt, die selbst versäumt haben, rechtzeitig Ansprüche anzumelden.


Quelle: http://www.claims-conference.de/index.php?id=4

Die logische Konsequenz daraus wäre, daß die JCC die Forderungen von Herrn Thomas Hemer unterstützt, seine Rechte durchzusetzen, damit er, wie er schon 2007 bekundet hat, der Universität Leipzig die Sammlung seines Großvaters per Schenkung überlassen kann!

Aber das ist bislang nicht passiert - warum?

Und wieso ist der Verkauf der Sammlung, was die Eigentumsrechte der Erben angeht, auf einmal gültig, auf der anderen Seite, was die Forderungen der JCC betrifft, wiederum nicht?

Wieso gesteht das deutsche Gesetz einer Organisation, die sogar in Israel in der Kritik steht, mehr Rechte als den legitimen Eigentümern zu? Warum folgten die Richter der Argumentation der JCC, deren Ziele wie folgt aussehen?

- posthume Zwangsenteignung eines deutschen Forschers jüdischer Abstammung und seiner Familie (es gelten also doch noch die Gesetze der Nazizeit?)
- Zerschlagung des Lebenswerks von Prof. Steindorff
- Ignorierung seines offenkundigen Wunschs, die Stücke, die er während seiner Reisen nach Ägypten zusammengetragen hat, in Leipzig zu belassen und sie einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren (es gibt Briefe Steindorffs, die dies belegen)

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#2

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 30.05.2011 19:51
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

Zitat

Die Claims Conference und die WJRO haben eine Kooperation mit den jüdischen Gemeinden in aller Welt gestartet, um eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Rückerstattung von geraubten Kunst- und Kultusgegenständen zu richten. Die beiden Organisationen sind bemüht, wesentliche Fragen der Restitution von Kunstwerken zu systematisieren und Verfahren zu verbessern und weiter zu entwickeln, damit mehr Eigentümer und Erben ihren Besitz zurückerhalten können.

Die Rückgabe von geraubten Kunstwerken und Kultusgegenständen ist in der Regel von größerer Tragweite als die Restitution anderer Vermögenswerte. Es handelt sich zumeist um Gegenstände des persönlichen Besitzes, die wegen ihrer Ästhetik und ihrer kulturellen Bedeutung geschätzt und oft über Generationen weitergegeben wurden. In den meisten Fällen sind diese Kunst- und Kulturgüter die letzten persönlichen Verbindungsglieder von Nachfahren zu ihren Familien, die im Holocaust ermordet wurden. Viele Kunstwerke haben ihren Weg in Museen rund um den Globus gefunden, ohne dass es ein geeignetes Verfahren für Familienmitglieder gäbe, gezielt nach ihrem Verbleib zu fahnden.

Eine internationale Anstrengung für die Restitution von Kunst- und Kulturgütern aus jüdischem Besitz würde dazu beitragen, dass Familienwerte in die Hände der rechtmäßigen Eigentümer zurück gelangen.



Quelle: http://www.claims-conference.de/fonds-pr...e/ns-raubkunst/

Ich gratuliere Herrn Thomas Hemer zu einer wunderschönen Sammlung ägyptischer Kunstwerke!

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#3

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 30.05.2011 21:41
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

Zitat
"Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass ich davon überzeugt bin, dass faire und gerechte Lösungen im Umgang mit Raubkunst bei Durchführung fairer und gerechter Verfahren erreicht werden können, wenn
1. die Provenienzforschung engagiert und zügig durchgeführt wird,
2. das gesamte Verfahren für alle Beteiligten transparent ist und
3. die Opfer entsprechend der Washingtoner Erklärung sowie der gemeinsamen
Erklärung bei dem Verfahren gleichberechtigt einbezogen und beteiligt werden."


Aus der Rede von Georg Heuberger, Repräsentant der Claims Conference in Deutschland, 12/08 in Berlin

Im Falle der Sammlung Steindorff wurde die Provenienzforschung "engagiert und zügig" (wie von dem Repräsentanten der JCC gefordert) durchgeführt. Die Nachforschungen kamen aber leider zu einem ganz anderen als von der JCC erwarteten Ergebnis mit dem Endeffekt, daß die mühsam erarbeiteten Resultate unter den Tisch fallen gelassen wurden.

Die "Opfer" - sprich die Familie von Prof. Steindorff - wurden bei dem Berliner Prozeß alles andere als "gleichberechtigt einbezogen". Der Aussage von Steindorffs Enkelsohn, der sich noch genau an die Umstände des Umzugs seiner Familie nach Amerika erinnern kann, wurde keine Beachtung geschenkt!

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#4

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 31.05.2011 11:29
von Meritenramses • 6.578 Beiträge
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#5

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 01.06.2011 13:46
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

http://plundered-art.blogspot.com/2011/0...t-does-not.html

Abgesehen davon, daß dieser Bericht ebenfalls davon ausgeht, daß es sich um einen "forced sale" handelt, ein mich sehr hoffnungsfroh stimmender Artikel.

Ein Auszug:

Zitat
Must the interests of Jewish organizations supersede those of individual Jewish claimants? I should hope not.

The best possible way out of this Gordian knot is for the Claims Conference to restitute the items to Mr. Hemer and for Mr. Hemer to return them to the University of Leipzig if that’s what he wants to do.



Blog des Holocaust Art Restitution Project (HARP):

Zitat
HARP was co-founded in September 1997 in Washington, DC, by Ori Z. Soltes, Willi Korte, and Marc Masurovsky to document cultural property losses suffered by Jewish individuals, families, and institutions between 1933-1945 at the hands of the National Socialists and their Fascist allies across Europe; to conduct historical research into the wartime and postwar fate of stolen, confiscated, misappropriated cultural property.



Sofern man also wie in diesem Artikel davon ausgeht, daß Steindorff Jude bzw. der Verkauf seiner Sammlung ein "forced sale" (so auch die JCC) war, ergo nicht rechtgültig, dann fielen am 28. August 1951, dem Todestag von Prof. Steindorff, die Rechte an der Sammlung nach dem jüdischen Erbrecht automatisch seinen Nachkommen zu. Die Ansprüche irgendwelcher Behörden und Organisationen sind damit null und nichtig! Siehe: http://www.juedisches-recht.de/lex_fam_erbrecht.php

Zitat
Die Erben treten im Zeitpunkte des Todes des Erblassers die Erbschaft an. Der Tod des Erblassers muss genau konstatiert werden, und es treten die Folgen in ehe- und erbrechtlicher Beziehung erst dann ein, wenn der Nachweis des Todes erbracht ist (s. Aguna und Verschollenheit) ... Der Nachlass geht ohne weiteres auf die Erben über, ohne dass inzwischen - wie bei der römischrechtlichen hereditas iacens - für die Erbschaft ein selbständiges Sondereigentumsrecht aufleben würde. Es bedarf auch keiner besonderen Antrittserklärung von Seiten der Erben. Daher kann auch der Embryo (nasciturus) Erbschaften erwerben, da diese von Gesetzes wegen den Erben zufallen und eine Willenserklärung zu diesem Rechtserwerb nicht notwendig ist (b. Jew. 67a; b. B. B. 141b).

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#6

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 08.06.2011 11:59
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

Zitat
Durch das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom 26. Mai ergibt sich darum nun die widersinnige Lage, dass sie den Eigentümer wechseln, gegen den Willen des einstigen Sammlers, gegen den Willen des Erben, gegen den Willen der Universität, die mit ihrer wundervollen Neuaufstellung ihrer Verantwortung gegenüber diesem kostbaren Erbe gerecht geworden ist, und gegen alle Vernunft. Insofern bleibt nur zu hoffen, dass die Jewish Claims Conference ihrerseits ihre Verantwortung gegenüber diesem jüdischen Erbe wahrnimmt und die Eigentumsverhältnisse so belässt, wie sie der ursprüngliche Besitzer vorgesehen hatte und sein Erbe wünscht.


Quelle: Jan Assmann in der FAZ vom 07.06.2011

Recht haben Sie, Herr Assmann!

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#7

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 16.06.2011 11:11
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

Zwar nur ein alter Artikel - der von Bloomberg -, aber mit treffender, neuer Überschrift auf der HP von Norman Finkelstein

Zitat
Jewish draculas back in business



Norman Finkelsteins Website

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#8

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 22.06.2011 12:35
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/1487322/

http://www.tagesspiegel.de/wissen/der-la...it/4293396.html

Endlich nennt jemand das Kind mal beim Namen!

Unverzeihliche Groteske

Zitat
Von Andreas Zielcke

Einem Juden rückblickend zu bescheinigen, dass er während der NS-Zeit auf einer Insel der Verschonung gelebt habe, fällt begreiflicherweise schwer. Trotzdem hat sich das Gericht viel zu sorglos des Problems entledigt, dass die Uni Leipzig nun womöglich der Jewish Claims Conference ihre eigene Sammlung abkaufen muss.

Diesen Mittwoch, am 22. Juni, beginnt eine Verhandlungsrunde, die besser erst gar nicht stattfände. Die Universität Leipzig wird mit der Jewish Claims Conference (JCC) um ihre berühmte altägyptische Sammlung ringen. Was in anderen Fällen eine normale Restitutionssache wäre, ist hier eine widersinnige Situation, die ausgerechnet die Justiz heraufbeschworen hat.
Am 26. Mai hatte das Verwaltungsgericht Berlin die Klage der Universität abgewiesen, mit der sie verhindern wollte, den Museumsschatz, den sie einst von dem großen Ägyptologen Georg Steindorff erworben hatte, an die JCC herausgeben zu müssen. Das zuständige "Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen" hatte die Universität zu dieser Herausgabe verpflichtet.

Dem Urteil des Gerichts kann die unterlegene Universität nur mehr die Hoffnung auf Gnade der JCC entgegensetzen. In der Tat hat diese in den letzten Tagen Entgegenkommen signalisiert. Das ändert aber nichts daran, dass sie im Besitz des Rechtstitels auf Herausgabe ist und jederzeit die Daumenschrauben ansetzen kann. Kommt es zu keiner Einigung, bleibt der Universität nur die Möglichkeit, ihre eigene Sammlung der JCC abzukaufen; es geht um 163 Exponate.
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Die Vorgeschichte: Steindorff lehrte in Leipzig mehr als vier Jahrzehnte, von 1893 bis 1934. In dieser Zeit baute er für seinen Fachbereich die "bedeutendste ägyptologische Lehrsammlung in Deutschland" auf (Jan Assmann). Den größten Teil erwarb er durch Ausgrabungen und Aufkäufe mit eigenen Mitteln, aber von Anfang an stellte er sie der Universität als Leihgabe zur Verfügung. 1936 bot er ihr die Exponate, deren Wert er selbst mit 10.260 Reichsmark bezifferte, für 8000 Reichsmark zum Kauf an. 1937 einigte man sich, die letzte Rate des Kaufpreises erhielt er 1939, kurz bevor er auswanderte.

Steindorff war gebürtiger Jude. Alles deutet darum darauf hin, dass er seine Sammlung unter dem Druck der NS-Repression verkauft hat. So sieht es auch das hier einschlägige Vermögensgesetz, das zugunsten der damals rassisch Verfolgten die Beweislast umkehrt.

Haben sie in der Zeit zwischen 15. September 1935 und 8. Mai 1945 Wertobjekte veräußert, dann gilt die Vermutung, dass der Verkauf eine "verfolgungsbedingte" Vermögensverfügung war. Folglich muss jeder heutige Besitzer die Wertsachen zurückgeben - es sei denn, er kann die Vermutung widerlegen, indem er den Gegenbeweis antritt und zeigt, dass die Verfügung "verfolgungsneutral" war.

Dass diese pauschale Beweiserleichterung angesichts der flächendeckenden nationalsozialistischen Verfolgung, vor allem der Juden, absolut legitim ist, bedarf keiner Worte. Doch der Fall Steindorff stellt nach allem, was man weiß, die Ausnahme von der Regel dar. Darüberhinaus tritt hier ein prinzipieller Konflikt zwischen dem Erben und der JCC zu Tage, den das Gericht unüberlegt vom Tisch gewischt hat.

Gelungen ist der Gegenbeweis, sagt das Gesetz, nur dann, wenn der heutige Besitzer belegt, dass der damalige Verkäufer einen angemessenen Kaufpreis erzielt hat, frei über ihn verfügen konnte und das Rechtsgeschäft auch ohne die NS-Herrschaft abgeschlossen hätte.

Die Hürde ist nicht nur, zu Recht, außerordentlich hoch, sie ist vertrackt. Denn streng genommen ist der Nachweis eines hypothetischen Verlaufs (der unterstellte Verkauf ohne die NS-Herrschaft) beweislogisch unmöglich und kann nur als lebensnahes Gedankenexperiment erbracht werden: Hätte Steindorff nach aller heute rekonstruierbaren Wahrscheinlichkeit die Sammlung auch unter freien Umständen an die Universität verkauft? Zu diesem Preis? Es liegt auf der Hand, dass die Antwort auf eine Fiktion hinausläuft, die von stets bezweifelbaren Projektionen in die Geschichte abhängt.

Nimmt man die Indizien zusammen, die in dem Prozess vorgetragen wurden, dann hat die Universität diesen hypothetischen Unterstellungsbeweis so überzeugend geführt wie nur möglich. Steindorff wurde zwar, wie allen seinen jüdischen Kollegen, 1934 die Lehrerlaubnis entzogen, aber da war der bereits 73-Jährige längst emeritiert. Vor allem jedoch genoss er weiterhin die Achtung und Arbeitsmöglichkeiten als Herausgeber und Mitforscher an der Universität wie zuvor. Nach eigenem Bekunden fühlte er sich bis zum Novemberpogrom 1938 nie selbst bedroht, sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl behandelte ihn, wie Steindorff ebenfalls selbst erklärte, stets "ritterlich und respektvoll", man ehrte ihn auch außerhalb der Universität seinem Rang entsprechend, selbst NS-Funktionäre ließen sich Ovationen nicht nehmen. Offensichtlich wurde er von höheren Parteikreisen geschützt. Ein extremer Ausnahmefall.
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Noch bei seiner Ausreise 1939 durfte er ungehindert sämtliche Wertsachen ausführen, darunter viele weitere altägyptische Exponate, wertvolle Möbel, einen Konzertflügel, et cetera - ein "Privileg", das sonst bekanntlich so gut wie keinem Verfolgten zugestanden wurde. Trotz Ausreise zahlte man ihm sogar seine Pension bis 1941 weiter.

Auch die Reduktion des Kaufpreises von 10.260 auf 8000 Reichsmark widerlegt diese NS-untypische Ausnahmestellung nicht. In der Fachwelt galten damals 20-prozentige Abschläge (im Vergleich zur Summe der Einzelwerte) beim Ankauf ganzer Sammlungen auf dem Antiquitätenmarkt als normal. Entscheidend aber ist die unbestrittene Tatsache, dass Steindorff die Sammlung, die er für die Lehre an "seiner" Universität aufgebaut hat, unbedingt auch "seiner" Universität erhalten wollte.

Noch heute wird sein Enkel nicht müde, diesen Herzenswunsch des Großvaters immer und immer wieder zu betonen. Steindorff selbst hat auch noch nach dem Krieg (er starb 1951) der Universität brieflich versichert, wie sehr es ihn freue, seine Lehrsammlung dort zu wissen. Er forderte Pensionsrückstände ein, doch nie eine Nachzahlung zum Kaufpreis der Sammlung.

Das alles genügte dem Gericht nicht. In seinen Urteilsgründen betont es zwar ausdrücklich, dass die Universität "ein stimmiges und auch plausibel erscheinendes Szenario dargestellt hat". Doch ein mögliches Geschehen sei kein zwingend bewiesenes im Sinne des Gesetzes.

Das ist rechtstechnisch korrekt, überspannt aber hier die Dogmatik des Gegenbeweises gehörig. So rigoros wie das Gericht argumentiert, erhebt es die Vermutung der Verfolgungsbedingtheit zum unwiderleglichen historischen Faktum. Genau das aber will das Vermögensgesetz nicht.

Natürlich muss man bei der Beweiswürdigung den Richtern ihren fachkundigen Beurteilungsspielraum zubilligen. Einem Juden rückblickend für die NS-Zeit zu bescheinigen, dass er - zumindest in Vermögensdingen - auf einer Insel der Verschonung inmitten eines Ozeans an Verfolgung und Entrechtung gelebt habe, fällt begreiflicherweise schwer. Viel zu sorglos aber hat sich das Gericht des zweiten Problems entledigt.

Steindorffs Enkel ist dessen heutiger Erbe. Wenn also die Sammlung herauszugeben ist, falls sein Großvater sie unter Verfolgungsdruck hergeben musste, dann doch, sollte man meinen, an den Erben als Rechtsnachfolger. Doch das Gericht sieht die JCC als rechtmäßigen Inhaber der Herausgabeforderung an, obwohl der Erbe energisch protestiert und die Sammlung der Universität belassen will, wie vom Großvater stets gewünscht.

Tatsächlich hatte es der Erbe versäumt, innerhalb der Verjährungsfrist den Restitutionsantrag zu stellen; Ende 1992 lief die Frist aus. Vorwerfen kann ihm das allerdings niemand, denn die Frist lief unabhängig davon, ob Berechtigte je von dem Gesetz, der Frist und ihrer Antragsbefugnis Kenntnis erlangten oder nicht.

Steindorffs Erbe lebt in Nevada, das deutsche Bundesgesetzblatt gehört bei den wenigsten Amerikanern zur täglichen Lektüre. Viele jüdische Berechtigte im Exil wurden so um ihre Rückforderung gebracht, der deutsche Gesetzgeber hat es sich zu leicht gemacht.

Der eigentliche Einwand aber ist ein anderer. Im Unterschied zum Erben hatte die JCC die Rückgabe der Sammlung Steindorffs rechtzeitig beantragt. Das Gesetz gibt ihr dieses Recht, "soweit Ansprüche von jüdischen Berechtigten ... nicht geltend gemacht werden".

Was aber, wenn der jüdische Berechtigte wie in diesem Fall den Anspruch dezidiert nicht erheben will, weil er dem jetzigen Besitzer die Sache überlassen möchte, noch dazu in bester Absicht? Der Sinn des Gesetzes kann nicht sein, dass sich die JCC über diesen erklärten Willen hinwegsetzen darf.

Krasser Fehlschluss

Doch das Gericht stützt sich auf einen Satz, den es einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entnimmt; dieses wiederum hat ihn ohne jede eigene Problematisierung direkt aus einer Erklärung der Bundesregierung übernommen, mit dem diese im September 1990 die supplementäre Rolle der JCC begründet hatte. Dass die damalige Erklärung der Bundesregierung auf einem krassen Fehlschluss basiert, ist beiden Gerichten entgangen.

Als einzigen Grund dafür, dass die JCC an die Stelle passiv bleibender Erben treten soll, nannte die Regierung, dass andernfalls "unbeanspruchtes Vermögen ... den Fiskus des Staates begünstigen würde, in dessen jüngster Geschichte sich das wiedergutzumachende Unrecht ereignet hat". Diese Begründung ist bizarr, denn in den allermeisten Fällen wäre, würden sich die Erben nicht rühren, nicht der deutsche Fiskus, sondern der heutige Besitzer der Sache (bei Kunstobjekten meist also Galerien, Stiftungen oder Unternehmen) begünstigt.

Vor allem aber besagt diese Begründung dann nicht das geringste, wenn der Erbe dezidiert den aktuellen Besitzer "begünstigen" und ihm die Sache - wie im vorliegenden Fall mit höchst ehrenwertem Motiv und eben im Sinne des ursprünglichen Verkäufers - erhalten will.

Dass Steindorff und sein Erbe im nachhinein von genau dem Staat, "in dessen jüngster Geschichte sich das wiedergutzumachende Unrecht ereignet hat", entmündigt und um ihren Willen gebracht werden, ist eine unverzeihliche Groteske. Die Sammlung gebührt der Leipziger Universität, wie es Großvater und Enkel bestimmt haben.



Quelle: http://www.sueddeutsche.de/kultur/streit...teske-1.1110617

Das Urteil dieses inkompetenten Richters ist im Grunde ein Schlag ins Gesicht eines jeden Holocaustopfers, das tatsächlich zwangsenteignet wurde!

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#9

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 22.06.2011 17:42
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

Fein, die Uni Leipzig darf die Sammlung unter der Voraussetzung behalten, daß sie anerkennt, daß

Zitat
es sich bei dem Verkauf der Privatsammlung Georg Steindorffs während der Nazi-Zeit „um einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust“ gehandelt habe


Quelle: http://nachrichten.lvz-online.de/leipzig...ng-a-94050.html

Was für ein bitterer Sieg, die vor Gericht und in den Medien vorgetragene Überzeugung* aufgeben zu müssen...
So richtig vermag ich mich deshalb über dieses Ergebnis, das aufgrund einer Erpressung zustande gekommen ist, nicht zu freuen.

*

Zitat
Unser Ziel ist:

1) Wiederzulassung der Revision und erneute Würdigung der vorgelegten Beweismittel, hierunter auch die Aussage von Thomas Hemer, daß kein Zwang vorlag.
2) Sofortiger Rückzug der Ansprüche der JCC gegen den einen noch lebenden Alleinerben, der ausdrücklich nicht durch die JCC vertreten werden möchte.


Quelle: Facebookseite der Georg Steindorff Initiative


Eine weitere Frage: wie lange wird die Uni die Sammlung Steindorff behalten dürfen?
Bis 2014/5, wenn der JCC nach eigenem Bekunden (siehe div. Artikel in der Haaretz) das Geld ausgeht?
Besitzer der Sammlung ist derzeit die Uni, Eigentümer die JCC - überschreibt jetzt also die JCC die Eigentumsrechte an der Sammlung Steindorff der Uni Leipzig?
Wenn diese Frage nicht rechtlich geregelt bzw. vertraglich geklärt wird, kann die JCC jederzeit über die Sammlung verfügen und sie veräußern...

Ein Pyrrhussieg...

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#10

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 23.06.2011 09:08
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

Ich könnte gerade kotzen...

Zitat
"Kein Problem damit, wenn die Sachen bei der Universität Leipzig verbleiben"
Jewish Claims Conference zum Streit um Steindorff-Sammlung
Roman Haller im Gespräch mit Dieter Kassel

Der Verhandlungsführer der Jewish Claims Conference (JCC), Roman Haller, will den Streit über die Steindorff-Sammlung zügig beilegen. Die altägyptische Sammlung des jüdischen Wissenschaftlers werde wohl bei der Uni Lepzig bleiben können, wenn alle Erben einverstanden sind.

Dieter Kassel: Seit einer guten Stunde verhandelt die Universität Leipzig mit der Jewish Claims Conference über die Zukunft der altägyptischen Sammlung der Universität. Es ist ein Fall, in dem gemäß geltendem Recht ein deutsches Verwaltungsgericht Tatsachen geschaffen hat, mit denen eigentlich nun keine der betroffenen Parteien so richtig glücklich ist, und wie viele Parteien betroffen sind, das ist allein schon eine ziemlich offene Frage.

Und just jetzt wird gerade verhandelt zwischen der Universität Leipzig und der Jewish Claims Conference. Ich hatte Gelegenheit, vor Beginn dieser Verhandlungen mit dem Verhandlungspartner aufseiten der Claims Conference, deren Direktor Roman Haller nämlich, zu reden. Und weil wir ja gerade auch noch einmal gehört haben, dass der Erbe Steindorffs - Thomas Hemer heißt er - lebt und deutlich gesagt hat, was er will, habe ich Roman Haller als Erstes gefragt, ob es denn eigentlich in Ordnung ist, dass nur zwei Verhandlungsparteien am Tisch sitzen, und dass nicht eigentlich dieser Erbe Thomas Hemer auch mit am Tisch sitzen müsste.

Roman Haller: Ja, zu Thomas Hemer muss ich sagen: Thomas Hemer hat sich eigentlich nie an uns gewandt, Thomas Hemer hat auch niemals irgendwelche Forderungen an uns gestellt. Wir haben es eigentlich mit Thomas Hemer nie zu tun gehabt, und insofern - er könnte sehr gerne am Tisch sitzen, aber er hätte sich auch früher melden können, um mit uns ein Gespräch zu führen. Ich bedauere sehr, dass er das nie getan hat.
Thomas Hemer wollte sich nach eigener Aussage NICHT von der JCC vertreten lassen, was ist daran so schwer zu verstehen???

Kassel: Hätte es denn eine Möglichkeit gegeben, diese Klage zu vermeiden, also hätten Sie eine Möglichkeit gesehen, sich mit der Universität außergerichtlich zu einigen?

Haller: Auf jeden Fall, und ich bedaure sehr, dass die Universität zu keinem Zeitpunkt auf uns zugekommen ist. Es wäre durchaus möglich gewesen, eine Einigung herbeizuführen, ohne dass es zu dieser Klage hätte kommen müssen.

Kassel: Wie beurteilen Sie denn den Ausgang dieses Gerichtsverfahrens? Denn es ist ja wohl tatsächlich so gewesen, dass Experten auch überrascht gewesen sind von diesem Urteil.

Haller: Das sehe ich nicht so. Dieses Urteil ist konsequent und entspricht den gesetzlichen Regelungen. Das ergibt sich auch daraus, dass keine Revision zugelassen worden ist, also im Urteil steht: Eine Revision ist ausgeschlossen. Was uns besonders wichtig ist: dass die Kollektion nach Professor Steindorff als verfolgungsbedingt entzogen vom Gericht anerkannt worden ist.

Ich denke, dass das auch ein Signal an Galerien, Museen und Auktionshäuser ist, eine solide Provenienzrecherche zu betreiben und für faire und gerechte Lösungen einzutreten, und das entspricht dem Sinn der Washingtoner Prinzipien und Erklärung von Theresienstadt im Jahre 2009.

Kassel: Wenn also die Universität Leipzig sagt, Georg Steindorff hätte 1937/38/39, das hat sich ja angeblich über Jahre hingezogen wegen der Zahlung, hätte damals diese altägyptische Sammlung ohne Verfolgungsdruck an die Universität verkauft, dann sagt die Universität nicht die Wahrheit?

Haller: So ist es. Wir kennen die Zeit. Wir wissen genau, dass wenn nach 1935 jemand - noch dazu zu einem, wie es dann später auch von seinem Nachfolger Dr. Wolf gesagt wurden ist, zu einem schäbigen Preis verkauft hat, - dann wissen wir, dass das eben mit der Verfolgung zu tun hatte. Uns hat es natürlich schon geärgert, dass die Universität, ja, auf diesen Zug gesprungen ist, zu behaupten, das war nicht verfolgungsbedingt, und so geglaubt hat, ja, so kann sie das alles behalten.
Sicher, Herr Haller (geb. 1944) war live dabei!

Und an der Uni Leipzig laufen lauter Lügner und Betrüger und Holocaustleugner herum oder was?


Wir haben überhaupt nichts dagegen, dass das die Universität behält. Es gibt noch ein Problem, das wir klären müssen: Ob es noch weitere Erben gibt. Denn wir sehen uns ja auch als Unterstützer der Erben, und was machen wir, wenn es noch einen weiteren Erben gibt, der kommt und sagt, ja, warum habt ihr mich nicht gefragt? Das ist so ein kleines Problem, das noch im Raum steht. Aber ich gehe davon aus, dass wir das alles regeln können.

Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur mit dem Direktor der Jewish Claims Conference Roman Haller, Anlass ist der heutige Beginn der Verhandlungen zwischen der JCC und der Universität Leipzig über die Sammlung Steindorff. Diese Verhandlungen, Herr Haller - das ist jetzt mein Eindruck, nachdem ich gehört habe, was Ihnen wichtig ist, auch um eine Einigung erzielen zu können mit der Universität über den Verbleib der Sammlung -, diese Verhandlungen werden wahrscheinlich nicht so leicht, denn wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist Ihre Grundforderung, dass die Universität zunächst einmal anerkennen muss, dass der Verkauf der Sammlung damals doch unter Verfolgungsdruck stattfand.

Haller: Schauen Sie, uns ging es darum, dass die Erben ihre Kunstgegenstände zurückbekommen. Das ist eigentlich das, was wir wollen.. Was uns eben wichtig ist, ist, dass anerkannt wird - das ist schon mal durch das Urteil anerkannt worden, aber wir wollen auch, dass die Universität zu dieser Verpflichtung steht.
Glaubt der eigentlich selber, was er sagt?

Kassel: Aber damit sind wir ja doch wieder bei Thomas Hemer. Wenn Sie selber sagen, es ist immer in Ihrem Interesse, dass die Erben zu ihrem Recht kommen. Also im Moment ist Thomas Hemer der Erbe seines Großvaters, und der sagt ja eindeutig: Ich bin überzeugt davon, mein Großvater würde wollen, dass das Ganze in Leipzig bleibt und ich würde das selber so entscheiden. Warum überlassen Sie es nicht ihm?

Haller: Ja, schauen Sie her: Darum haben wir auch kein Problem damit, wenn die Sachen bei der Universität bleiben. Es sind da noch ein paar Rechtsunsicherheiten, ich sagte schon, es könnten andere Erben auftreten, die dann auf uns zu kommen und sagen, ja, warum wurde ich nicht gefragt, wie kommt ihr eigentlich dazu, das zu belassen? Aber ich glaube, diese Fragen können gelöst werden.

Uns geht es wie gesagt um etwas ganz anderes, und ich glaube, damit wird die Universität auch leben können. Sie kann die Sachen dann auch behalten, und das wäre ja dann auch im Sinne zumindest dieses einen Erben.

Kassel: Sie haben vorhin schon gesagt, dass Sie ein bisschen enttäuscht darüber gewesen sind, dass, so sagen Sie das, die Universität vor dem Prozess in Berlin nie auf Sie zugekommen ist. Wenn Sie jetzt aber sagen, Sie haben gar kein Interesse daran, dass die Sammlung woanders hinkommt, die kann ruhig in Leipzig bleiben - warum ist die Jewish Claims Conference nicht auf die Uni vorher schon zugekommen?

Haller: Na ja, schauen Sie her: Die Uni hat Klage erhoben. Und wenn Klage erhoben wird gegen ein Urteil, das uns begünstigt hat - warum sollten wir ... Es ist glaube ich ganz normal, dass wir überhaupt keinen Anlass sehen, auf die Uni zuzugehen. Nach Abschluss der Prozessverhandlung, nachdem uns die Kollektion zuerkannt worden ist, sind wir auf die Uni sofort zugegangen und haben signalisiert, dass es uns nicht darum geht, dass wir diese Ausgrabungsstücke behalten.

Kassel: Sind solche Verhandlungen für Sie auch heikel, weil das natürlich auch ein Imageproblem werden kann für die JCC? Denn in vielen Zeitungsartikeln habe ich nun doch die Frage gelesen: Wie kann es denn sein, wenn ein Erbe so eindeutig sagt, das soll in Leipzig bleiben, dass andere sagen, okay, der darf das nicht allein bestimmen?

Haller: Schauen Sie her, darum bin ich dankbar, wenn Sie mich befragen, und ich kann aufklären darüber, wie sich das verhält, und dass es in diesem Fall eben so ist, dass die Erben niemals bei uns einen Antrag gestellt haben. Zivilrechtlich ist es nun mal eben so, dass in diesem Fall, dass wir und nicht die Erben Nachfolger dieser Dinge sind, dieser Ausgrabungsstücke. Das ist eben so.

Aber in diesem Fall, wie gesagt, sind wir ja durchaus bereit, wenn dieser Erbe es so will, die Ausgrabungsstücke bei der Universität zu belassen, und wir hoffen, dass alle Erben, die es nach Professor Steindorff gibt, in die gleiche Richtung ziehen.

Kassel: Ich meine, die Verhandlungen beginnen heute und ich kann mir auch vorstellen, dass Sie da auch noch nicht alle Karten auf den Tisch legen wollen, aber dennoch die Frage: Was für ein Verhandlungsergebnis können Sie sich denn konkret vorstellen - eine langfristige Leihgabe, einen Verkauf? Welche Bedingungen werden Sie wahrscheinlich daran knüpfen?

Haller: Also es gibt keine Verkäufe. Wir verkaufen solche Sachen nicht, wir nehmen, übernehmen solche Sachen auch nicht, und wir wollen aus Kunst nicht irgendwelche Gewinne abschöpfen. Ich könnte mir vorstellen, dass es irgendeine ideelle Sache gibt. Ich meine, dass die Universität vielleicht irgendwie ein Education-Programm aufstellt, Erziehungsprogramm über den Holocaust, über Professor Steindorff - in dieser Richtung. Aber es wird mit Sicherheit kein Geld dabei fließen.



Quelle: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1487881/

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#11

RE: Warum das Urteil im Steindorff-Prozeß revidiert werden muß

in Ägypten heute 24.06.2011 08:35
von Meritenramses • 6.578 Beiträge

Zitat
Nur allzu vernünftig

24.06.2011 05:20 24.06.2011 05:20

Die Steindorff-Sammlung bleibt in der Universität Leipzig

Der Streit, dem ein Gerichtsurteil eine so widersinnige Wendung verliehen hatte, ist nun doch zu einem guten Ende gelangt: Die altägyptische Sammlung von Georg Steindorff wird endgültig der Universität Leipzig verbleiben. Die Jewish Claims Conference (JCC), die über einen gerichtlich bestätigten Rechtstitel zur Herausgabe der Sammlung verfügt (siehe SZ vom 21. Juni), hat sich bereit erklärt, auf ihren Restitutionsanspruch zu verzichten. In der Verhandlung am vergangenen Mittwoch, zu der sich die Vertreter der JCC und der Universität Leipzig in Berlin zusammengefunden hatten, kam man überein, den Konflikt gütlich beizulegen und der Universität das Eigentum an der Sammlung zu belassen. Sie hatte sie 1937 von Georg Steindorff, der hier mehr als drei Jahrzehnte Ägyptologie gelehrt und die Sammlung aus eigenen Mitteln aufgebaut hatte, käuflich erworben.


Ein Entgelt für ihren Verzicht verlangt die JCC nicht. Darüberhinaus bekräftigt sie, dass sie trotz des Rechtsstreits zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt habe, gegen die Universität Zahlungsforderungen zu erheben. Im Gegenzug verpflichtet sich die Universität, den Lebensweg von Georg Steindorff weiter aufzuarbeiten, eine ausführliche Dokumentation über ihn zu erstellen und sie der Öffentlichkeit im Rahmen der Sammlung zugänglich zu machen - 'unter Anerkennung des verfolgungsbedingten Entzugs der Sammlung'. Generell soll das Thema der Verfolgung in der NS-Zeit, vor allem was den universitären Bereich betrifft, stärker als bisher aufgenommen und publikumswirksam dargestellt werden.

Der gerichtliche Streit zwischen den beiden Seiten ist damit erledigt, die Universität legt das ihr zustehende Rechtsmittel nicht ein. Dass sie um der Einigung willen den 'verfolgungsbedingten' Entzug der Sammlung bestätigt hat, gehört zur Dynamik des gegenseitigen Nachgebens, für die Restitutionspolitik jenseits dieses konkreten Falls ist es allerdings ein Wermutstropfen. Denn die Zweifel, dass Georg Steindorff seine große Lehrsammlung unter Druck an die Universität verkauft hat, sind erheblich. Als Präjudiz für künftige Restitutionsfälle sollte man den Ausgang dieses Streits aber auch deshalb nicht sehen, weil hier der JCC die Herausgabeforderung gegen den erklärten Willen des heutigen Erben von Georg Steindorff zugesprochen worden war, ohne dass es dafür einen hinreichenden gesetzlichen Grund gab. Das war dann wohl auch der tiefere Grund für die vernünftige Einigung, die der Erbe stets angemahnt hatte. ziel



Quelle: http://www.sueddeutsche.de/Q5838U/73458/...vernuenfti.html

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